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Mein Trauerjahr – Wie es mir erging, was ich gelernt habe und was ich im 2. Trauerjahr tun werde

S. Prilop Collage S. Scholze Juli 2022

Blas mich am Schuh!

Das schleuderst Du bitte allen entgegen, die Dich mit Trauerphasen, Trauerarbeit, Trauerbewältigung belästigen.

Bevor Du schleuderst, darfst Du Dir eines bewusst machen: Es gibt keine zwei gleichen Verläufe von Trauer. Punkt.

Genau das wurde mir während meines ersten Trauerjahres bewusst.

Was mir außerdem schon vor dem 25. Juli 2022 klar war: Es heißt zwar „Das Trauerjahr“, aber es gibt nicht nur eines. Wer ein geliebtes Lebewesen verloren hat, weiß, dass die Trauer nicht mit Ablauf des ersten Jahres endet.

Mein Trauerjahresrückblog ist fertig – wie ging es mir während der 10 Tage, in denen ich daran geschrieben habe?

Zunnächst habe ich die Phase der aufbrechenden chaotischen Emotionen kurzerhand in die letzten 10 Tage dieses ersten Trauerjahres verlegt: Ich habe gewütet, gejammert, geweint, üblen Mist in mich hineingestopft, mich ausgeruht und wieder von vorn angefangen. Mit Wüten, nicht mit irgendetwas anderem. Meine Emotionen haben sich sozusagen verselbständigt und keinerlei Rücksicht auf „Buchlaunch“, ordentliches Absolvieren der Trauerphasen oder meinen Wunsch nach einem geregelten Tagesablauf genommen.

Dabei waren sie sehr gründlich.

Deshalb habe ich mich auch nicht an meine eigene Ankündigung gehalten, jeden Tag irgendetwas bei Social Media zu posten. Das hätte an den wütenden Tagen möglicherweise zu üblen Beschimpfungen von allem und jedem statt „hilfreichen“ Posts geführt. Falls Du mir bei Social Media folgst, hast Du möglicherweise festgestellt, dass ich immer noch aufgebracht bin.

Weil diese meine chaotischen Emotionen nicht stundenlang auszuhalten waren, bin ich jetzt schon fast am Ende von „Elementary“. Die Serie ist nicht schlecht, vor allem aber ist sie mein Mittel, mich wegzubeamen und mein Gehirn mit Belanglosigkeiten zu beschäftigen, damit es einen Gang runterfährt.

Während ich in den Tagen unmittelbar nach dem Tod meines Liebsten absolut handlungsfähig und im Notfall sogar richtig cool war, musste ich mich in letzter Zeit regelrecht aus dem Bett prügeln. Ohne das Frollein Frieda wäre ich wahrscheinlich einfach liegengeblieben. Danke, Frollein Frieda!

Trotzdem habe ich auch immer wieder geschrieben. Und geweint. Eine weitere Folge „Elementary“ geguckt. Über das schöne Wetter und meine Nachbarn geschimpft, die einfach zu gut drauf waren. Die Jalousien heruntergelassen und weitergeschrieben.

Noch einmal: Es gibt keine zwei identisch verlaufenden Trauerjahre.

Dies war mein erstes. Am Ende ist eine neue Geschichte entstanden.

Die berührendsten Bilder des Trauerjahres

Es gab noch viel mehr Bilder. Diese sind mir die wichtigsten – einige aus der Zeit „davor“. Sie alle gehören in dieses Trauerjahr.

Wenn Du auf die Bilder klickst, kommst Du zum entsprechenden Artikel.

Die wichtigste Lektion des Jahres ohne meinen Liebsten war…

Eigentlich gab es keine Lektionen, sondern Erkenntnisse. Dies sind die wichtigsten beiden:

  1. Ich bin stark.
  2. Ich kann meine Gefühle auf später verschieben, wenn gerade Handlungsfähigkeit gebraucht wird.

Stark war ich vorher auch schon. Der Tod meines Liebsten war nicht die erste Herausforderung, vor die mich das Leben gestellt hat. Aber die Kombination aus Stärke und Haltung war mir vorher nicht bewusst.

Obwohl all das wahrscheinlich schon lange da war, hat mich meine Trauer um ihn sogar noch stärker gemacht. Auch die Widerstände, auf die ich getroffen bin und die Situationen, in denen ich trotz meiner Trauer funktionieren musste, haben dazu beigetragen.

Deshalb kann ich heute auch denjenigen dankbar sein, die mich zu dieser Stärke quasi gezwungen haben: Indem sie mir ihre Sicht der Dinge aufzudrängen versucht, sich als unempathisch (bestenfalls) oder übergriffig (schlimmstenfalls) erwiesen haben oder von denen ich mich mit meinen Gefühlen allein gelassen fühlte.

Denn all das hat dazu geführt, dass ich meinen Weg bis hierher gehen konnte – von Tag zu Tag, manchmal in ganz kleinen Schritten und mit sehr vielen Pausen. Es hat Tage gegeben, an denen ich das Gefühl hatte, rückwärts zu gehen wie Michael Jackson bei seinem Moonwalk. Auch Rückschläge waren dabei – und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es hat sich tatsächlich jedes Mal angefühlt wie ein Schlag mitten ins Gesicht.

Aber jetzt bin ich hier. Stehe mit beiden Füßen fest auf der Erde. Stärker als vor einem Jahr. Klarer als vor einem Jahr. Und dankbar für die Jahre vor diesem Jahr.  

Natürlich gibt es Tage, an denen ich meine Stärke nicht fühlen kann und von Dankbarkeit für das, was ist, ein Stück entfernt bin. Dann lege ich die Stirn an die Rinde meines Baumes und rede mit meinem Liebsten. Oder lege mich zu Frieda und lasse mich trösten.

Trauerphasen oder Wellen der Trauer?

„Die vier Phasen der Trauer nach Verena Kast“ war einer der meistgelesenen Artikel meines Blogs. Inzwischen ist er in meine virtuelle Schatzkiste umgezogen.

Wahrscheinlich brauchen viele von uns gerade am Anfang unseres Trauerjahres etwas theoretischen Background. Auch ich habe mich während des letzten Jahres immer wieder auf diese Trauerphasen bezogen: „Selbstliebe in den 4 Trauerphasen“ war gleichzeitig meine Abschlussarbeit für die Zertifizierung zur Trauerbegleiterin. In einem weiteren Artikel habe ich mich darüber beschwert, dass von Müdigkeit in den 4 Trauerphasen keine Rede gewesen sei.

Das Modell der Trauerphasen wurde von Elisabeth Kübler-Ross bereits 1969 begründet. „Die vier Phasen der Trauer“ von Verena Kast aus den frühen 1980er Jahren basiert auf diesem Modell.

Der amerikanische Psychologie George A. Bonanno hat diese Phasenmodelle durch sein „Wellenmodell der Trauer“ ersetzt. Er sagt,  dass Menschen mit Verlusten viel besser umgehen könnten, als lange Zeit angenommen wurde. Die meisten würden sich sogar erstaunlich schnell erholen, nachdem eine geliebte Person gestorben ist. Das weit verbreitete Modell der Trauerphasen von Elisabeth Kübler-Ross hat aus Bonannos Sicht ausgedient.

20220413 Wellen der Trauer

Genug Theorie!

Das Bild, von Wellen mal getragen, mal untergetaucht zu werden, passt viel besser zu meinem Erleben des letzten Jahres als die Vorstellung von Trauerphasen.

Denn ich habe keine Phasen durchlaufen oder abgearbeitet. Es gab kein „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ und keine „aufbrechenden chaotischen Emotionen“ in einer ordentlichen Reihenfolge. Es gab Tränen, Traurigkeit, immer wieder auch Lächeln beim Gedanken an schöne gemeinsame Erlebnisse.

Wirklich umgeworfen hat es mich erst mehr als neun Monate nach dem Tod meines Liebsten. Zunächst an meinem Geburtstag. Denn normalerweise hätte er mich gefragt, was er mir für einen Kuchen backen soll. Und ich hätte mir seinen unglaublich leckeren „Spezial-Käsekuchen“ gewünscht. Aber er hat mich nicht mehr fragen können.

Dann, im Mai, ein Notartermin. Ich war das erste Mal seit langer Zeit in der Nähe unserer gemeinsamen Heimat. Mein Fluchtinstinkt war übermächtig. Ich wollte einfach nur wieder weg – so schnell wie möglich. Nachts und allein im Park hätte das Bedürfnis wegzulaufen nicht größer sein können.

Danach war eine Zeitlang nichts mehr mit „Surfen auf den Wellen“ der Trauer. Stattdessen wurde ich herumgewirbelt und untergetaucht, immer und immer wieder.

Jetzt, einen Tag nach dem offiziellen Ende des Trauerjahres, fühle ich mich das erste Mal seit langer Zeit wieder so, als könnte ich es mit dem Leben wirklich wieder aufnehmen, statt nur so zu tun als ob. Das klingt ein bisschen nach Kampf. Und manchmal ist es auch genau das.

Am 25. Juli 2022, dem ersten Todestag meines Liebsten, gab es in Dankelshausen ein Mordsgewitter, begleitet von Blitz und Donner, Hagel, Sturm und einer unglaublichen Menge Wasser von oben. Seltsamerweise hat das die Wellen in meinem Inneren beruhigt.

Meine drei größten Wünsche – für mich persönlich und für den Umgang mit Menschen in Trauer   

Hättest Du mich in den Tagen nach dem 25. Juli 2021 nach meinen drei größten Wünschen gefragt, wäre meine Antwort gewesen:

  1. Dass mein Liebster friedlich einschlafen durfte und nicht kämpfen musste, als er ging.
  2. Dass er in dem Bewusstsein gegangen ist, (von mir) geliebt zu werden.
  3. Dass ich von allen in Ruhe gelassen werde.

Ein paar Monate später hätte ich mir dies gewünscht:

  1. In Ruhe gelassen werden.
  2. Mich nicht mehr mit Behördenkram und Nachlass auseinandersetzen müssen.
  3. In Ruhe gelassen werden. (Nein, die zweite Erwähnung ist kein Versehen!)

Während der letzten vier Wochen wäre dies meine Bestellung beim Flaschengeist gewesen:

  1. Mein Buch „Frauen denken. Männer nicht. Denken Frauen.“ veröffentlicht sich von selbst und ich darf mich meiner Traurigkeit hingeben, die größer wurde, je mehr ich mich zwang, professionell vorzugehen.
  2. Mich selbst in Ruhe lassen können.
  3. Dieses andauernde Gefühl des Getriebenseins loswerden. (Ja, ich weiß – das ist kein „ordentlicher“ Wunsch. Man muss sich etwas Konkretes wünschen und nichts, was weg soll. Aber genau so habe ich mir das nun einmal gewünscht. Also Sch… auf die präzise Formulierung von Wünschen!)

Heute sind dies meine 3 größten Wünsche:

  1. Ich wünsche mir, von den Menschen, die ich mit meinen Erfahrungen unterstützen kann, gefunden zu werden.
  2. Ich wünsche mir einen wertschätzenden Umgang mit den Themen „Abschied, Tod und Trauer“, vor allem aber mit den Menschen in Trauer.
  3. Für mich persönlich wünsche ich mir noch einen echten Neuanfang, weit weg von meiner „alten Heimat“. Der passende Ort wird sich finden: an der Küste, in den Bergen oder ganz woanders. Denn ich habe das Gefühl, dass es jetzt erst so richtig losgeht. Meine Liebsten habe ich bei mir – egal, wohin ich gehe.

Ausblick auf das nächste Jahr ohne Ihn: Welches sind meine wichtigsten Themen?

Mein Thema Nummer eins ist im Grunde von meinem Liebsten unabhängig – aber seit seinem Tod noch viel wichtiger für mich geworden: Ich will und werde Bücher schreiben. Welche? In meinem Hinterkopf hat sich „Mussten Sie ausgerechnet heute sterben?“ festgesetzt. Aber irgendwie habe ich auch große Lust, Friedas Buch endlich in die Welt hinauszuschicken. Viel fehlt nicht mehr. Und Frieda ist verständlicherweise recht knöhrig, weil sie schon wieder zurückstehen musste.

Darum lautet das zweite wichtige Thema für das nächste Jahr ohne meinen Liebsten: Meine eigenen Grundsätze leben. Mich nicht durch die Tage hetzen, weil „es ja jetzt langsam gut sein muss mit Trauern“, sondern das, fühlen, was gefühlt werden will, wenn es gefühlt werden will. Denn was passiert, wenn ich nicht auf mich und meine Gefühle achte, habe ich während der letzten Wochen gesehen.

Um Dir denselben Fehler zu ersparen: Es war nichts Gutes. Das Arbeiten gegen mein eigenes Inneres hat zu Erschöpfung und Groll geführt – und zu noch größerer Traurigkeit.

Das dritte Thema/die dritte Aufgabe für das kommende Jahr: Durchhalten. Ja, das klingt schon wieder nach „Zähne zusammenbeißen“. Aber das meine ich nicht. Durchhalten bedeutet für mich, das, was ich während des letzten Jahres ohne meinen Liebsten gelernt habe, auf mein Leben anzuwenden. Und eine Sache, die ich gelernt habe, ist durchhalten. Du könntest es auch als „Aushalten“ bezeichnen.

Schlechte Tage aushalten in dem Wissen, dass sie vorbeigehen. Meine Gefühle aushalten. Erstens, weil sie ohnehin da sind, zweitens, weil sie ihre Berechtigung und deshalb eine Würdigung verdient haben. Durchhalten, wenn es in mir wieder komische Dinge denkt. Manchmal ist es eine gute Lösung, einfach weiterzumachen. Durchzuhalten eben.

Das ist ein gutes Schlusswort für einen sehr langen Artikel.

Wenn Du es bis hierher geschafft hast: 👏. Und Danke, dass Du mitgekommen bist!

IMG 9177 Beauty Retusche
Ein weiteres Ergebnis des Juni-Shootings mit Sabine Prilop – auch eines der wirklich schönen Erlebnisse in meinem ersten Trauerjahr.

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9 Gedanken zu „Mein Trauerjahr – Wie es mir erging, was ich gelernt habe und was ich im 2. Trauerjahr tun werde“

  1. Liebe Sabine,

    von Herzen Danke für diesen tiefen Einblick in Deine Gefühlswelt, der mich tief berührt hat.
    Wir kennen uns erst kurz, aber ich habe jetzt das Bedürfnis, Dir über die Ferne eine fette Umarmung zu schicken, wenn Du magst 😉
    Ich bewundere Deine Stärke und Klarheit.
    Alles Liebe, Ann-Katrin
    P.S.: Einen lieben Gruß an Frollein Frieda🥰

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