„Hey Vasquez, bist Du schonmal für nen Mann gehalten worden?“ – „Nein, und Du?“
Grinsen, abklatschen, noch ein paar Klimmzüge.
Der heutige Weltfrauentag ist perfekt, um über weibliche Vorbilder nachzudenken. „Weibliche-Role Models – wer uns inspiriert und ermutigt“ lautet auch der Titel der aktuellen Blogparade bei Lemondays. Das Online-Magazin wurde von Gela Löhr, Schreibrebellin und -mentorin ins Leben gerufen und richtet sich vor allem an Frauen in den Wechseljahren. Meiner Meinung nach ist es für alle davor und danach aber genauso lesenswert.
Es ist jetzt schon das zweite Mal, das ich an einer von Lemondays ins Leben gerufenen Blogparade teilnehme. Die letzte fand im September 2021 statt. Es ging um Träume. Und ich habe gleich drei Artikel geschrieben.
Aber wir träumen jetzt nicht. Wir sind beim Weltfrauentag 2022 und weiblichen Role-Models. 😉
Warum ein weiblicher Marine als Role-Model?
„Hey Vasquez, bist Du schonmal für nen Mann gehalten worden?“ – „Nein, und Du?“
Diese Worte stammen von Vasquez, Mitglied eines Trupps von Marines, deren Aufgabe es war, im Film „Aliens – Die Rückkehr“ auf einer außerirdischen Kolonie nach dem Rechten zu sehen.
Vasquez war lange Zeit mein Vorbild, wenn es darum ging, mich durchzusetzen. Dann sah ich sie vor meinem inneren Auge: Muskulös, einen riesigen Flammenwerfer in einer Hand, herablassend lächelnd, ein rotes Tuch als Stirnband umgebunden.
Vasquez musste auch bei meiner Therapieausbildung als Role-Model herhalten. Als es darum ging, was ich in einer bestimmten Situation gebraucht hätte, um mich stärker zu fühlen, antwortete ich damals spontan: „Vasquez!“ Und musste meiner Übungspartnerin erst einmal erklären, wer das war. Meine Kollegin war kein Fan der Aliens-Filmreihe…
Vasquez war nicht nur muskulös und kampfeslustig, sie hatte unglaublichen Mut, war eine gute Kameradin und sogar bereit, ihr eigenes Leben für das ihrer Truppe zu opfern. Wenn sie mit dem Flammenwerfer um sich schoss und dabei diesen ganz speziellen Gesichtsausdruck hatte, überlegte ich ernsthaft, wie es sein mochte, solch eine Frau als Lebenspartnerin zu haben. Dabei bin ich gar nicht lesbisch… ?
Und Vasquez war außerordentlich schlagfertig. Nicht nur auf die zitierte Frage wusste sie trotz eines längeren Kälteschlafs sofort die richtige Antwort.
Ja, es war diese Mischung aus Coolness, ausgeprägten männlichen Anteilen, Attraktivität (jedenfalls in meinen Augen) und absoluter Loyalität den Menschen gegenüber, die ihr wichtig waren, die mich beim bloßen Gedanken an diese Frau ein paar Zentimeter wachsen ließ.
Ohne es zu merken, hatte ich mich im Laufe der Jahre auch optisch meiner Heldin angepasst. Meine Haare wurden kürzer, die Muskeln mehr, und zu meiner Cargohose trug ich sehr gern Nickitücher als Stirnband. Als ich diese Phase hinter mir hatte, erzählte mir eine Verkäuferin: „Jetzt kann ich es Ihnen ja sagen. Als ich Sie das erste Mal von weitem gesehen habe, dachte ich: ‚Verdammt, der Kerl macht bestimmt Ärger!‘“ Wir lachten beide, ich strich mir durch das wieder länger gewordene Haar und freute mich heimlich über das Kompliment.
Weil nicht nur am Weltfrauentag ein starkes Role-Model Wunder wirken kann
Irgendwann verlor Vasquez ihre Bedeutung für mich. Ich konnte mich auch ohne Flammenwerfer oder die Vorstellung, dass ich einen hätte, durchsetzen. Kurze Haare und martialisches Outfit durften für ein paar Jahre dem Business-Kostüm weichen. Meine Veränderung ging so weit, dass ich Vasquez sogar peinlich und ihre Attitüde albern fand, wenn ich „Aliens – Die Rückkehr“ noch einmal sah.
Dann starb mein Mann. Um mich herum verhielten sich viele Menschen in einer Weise, die mich fassungslos machte. Dinge mussten organisiert, Termine gemacht werden, ich musste mich irgendwie durchsetzen gegen fremde Wünsche. Dabei wollte ich doch nur ganz still irgendwo sitzen und weinen… Oder mit Frollein Frieda so lange spazieren gehen, bis ich mir diese Fassungslosigkeit aus den Zellen gelaufen hatte.
Das war der Moment, in dem Vasquez wieder an meine Seite trat. Nein, das ist nicht ganz richtig: Sie baute sich vor mir auf, die Fäuste in die Hüften gestemmt, breitbeinig, mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht. „Du willst jetzt hier nicht wirklich klein beigeben, oder? Das habe ich dir nicht beigebracht!“ raunzte sie mich an. „Tu, was nötig ist, tu es mit zusammengebissenen Zähnen, wenn es sein muss, aber zeig gefälligst Rückgrat!!!“
Das saß. Und es funktionierte.
Ich straffte meine Schultern, richtete mich auf und tat, was zu tun war. Verhandelte, diskutierte, organisierte, stritt. Aber etwas war jetzt anders als Anfang der 2000er Jahre, als Vasquez erstmals in mein Leben trat. Damals war ich irgendwie auch sie; jetzt hatte ich sie an meiner Seite. Und sie schien zu wissen, was ich brauchte. Denn wenn ich am Abend fertig gekämpft und diskutiert hatte, ging sie und ließ mich weinen.
Während der letzten Monate ist es wieder etwas still um Vasquez geworden. Ich durfte wieder meine neue, sanfte Seite und mein offenes Herz zeigen. Allerdings ist sie mir auch nicht mehr peinlich. Ich empfinde sie als einen wichtigen Teil von mir, der mich immer dann unterstützt, wenn Kampfesmut gebraucht wird.
Vor einigen Tagen hat Vasquez sich dann doch noch einmal blicken lassen. Ich wurde gefragt, warum es so viele Fotos von mir auf meiner Website gäbe, auf denen meine vielen Tattoos sichtbar seien. Denn das könne doch potentielle Interessentinnen abschrecken.
Vasquez hat für mich geantwortet: „Wenn jemand nichts mit mir zu tun haben will, weil ich zu viele Tattoos habe, passen wir wahrscheinlich auch nicht zusammen.“
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