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5. April 1972 – (M)ein Brief aus der Vergangenheit

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Ein Brief aus der Vergangenheit? Wo ich doch gerade erst einen aus der Zukunft geschrieben habe?

Was soll das???

Der Weg des Künstlers“ ist die Lösung. Und eine leicht verspätete Erledigung der Aufgaben aus Woche vier. (Die erste war der Brief von meinem 80-jährigen Ich.)

Aber auch ganz ohne Aufgabe schreibe ich mir gern oder unterhalte mich mit einem meiner anderen Ichs. Im September 2021 waren es „Post-Its in die Vergangenheit„. Gespräche mit der unendlichen Dame habe ich im Oktober geführt. Auch die Tipps von meinem 95-jährigen Ich kurz vor dem Ende des letzten Marathons haben meine Autorinnenseele erfreut.

Briefe an uns selbst zu schreiben oder freundliche Selbstgespräche zu halten sollte meiner Meinung nach schon in der Schule gelehrt werden – allerdings von einer Lehrerin, die vor Selbstliebe nur so strotzt – und ohne jede Bewertung. Denn je besser wir uns in unsere vielen Ichs hineinversetzen können, desto besser werden wir auch für sie sorgen. Da bin ich sicher.

Noch eine Anmerkung, bevor es mit dem Brief aus der Vergangenheit losgeht: Die 8-jährige Sabine gendert nicht. Das hat damals noch niemand getan. Vielleicht auch, weil „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ von Alice Schwarzer, der die Frauenbewegung zusätzlich anschob, erst 1975 erschienen ist.

Ein Geburtstagskranz zum Brief aus der Vergangenheit
So einen Geburtstagskranz hatte ich damals auch.

Ein Brief aus der Vergangenheit – von meinem 8. Geburtstag

Liebe Sabine,

das war ein schöner Geburtstag! Mutti hat sich extra Urlaub genommen und mir ein tolles Frühstück gemacht – mit acht Kerzen, Gänseblümchen um den Teller, frischen Brötchen und gebratener Hühnerleber. Naaahhhmm!!! Hansi hat den restlichen Honig vom Löffel geklaut und als wir fertig gefrühstückt hatten, haben wir dekoriert.

Erinnerst Du Dich noch an Hansi, unseren Kanarienvogel? Der war gar nicht scheu und durfte immer mit auf den Frühstückstisch.

Am Nachmittag kamen meine Freundinnen aus der Straße. Eigentlich wollten wir draußen spielen, aber es hat dauernd geregnet und war auch ganz schön kalt. Deswegen sind wir in mein Zimmer gegangen.

Aber das war auch schön. Mutti hatte Blitzsandkuchen gebacken und wir haben Spiele gespielt.

Du bist jetzt wahrscheinlich schon zu alt, um Dich daran zu erinnern. Vielleicht bist Du ja sogar schon tot. Weißt Du noch: Als ich rechnen konnte und herausgefunden habe, dass wir im Jahr 2000 schon 36 Jahre alt sein würden, habe ich gedacht, dass wir da bestimmt nicht mehr leben.

Naja, aber wenn Du nicht tot bist, hast Du etwas zu lesen. Ich muss Dir nämlich ganz viele wichtige Sachen sagen.

Lass Dich bloß nicht weiter verhauen!

Das passiert mir nämlich immer noch. Und fast jeden Tag muss ich einen riesigen Umweg machen, damit ich Jörg und Andreas nicht über den Weg laufe. Die piesacken nämlich jedes Kind. Und der doofe Jörg ist auch noch in meiner Klasse…

Wenn ich könnte, würde ich boxen lernen. Oder Karate. Und dann würde ich die beiden so dolle verhauen, dass sie sich nie wieder an Kleineren vergreifen.

Aber es gibt ja auch Verhauen ohne Verhauen. Wenn ich Sachen nur mache, weil ich soll. Oder wenn ich sonst einen Mecker kriege. Oder wenn Mutti nicht mit mir redet. Das ist sooo doof und viel schlimmer als Meckern! Da weiß ich immer gar nicht, was ich machen soll und bin ganz dolle traurig.

Also das wünsche ich mir schon wirklich: Dass Du später nicht soviel Angst vor allem möglichen hast, sondern viel mutiger wirst. Dass Du auch mal zurückbrüllst, statt wegzulaufen. Und dass Du sagst, was Du willst und wenn Du etwas doof oder ungerecht findest. Und eben auch mal Leute verkloppst, wenn es sein muss.

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Und mach das, was Du willst!

Weißt Du noch, als ich der Blumenfrau erzählt habe, dass ich Lehrerin werden will? Und die hat dann gesagt, ich soll lieber Floristin werden, weil das so ein schöner Beruf ist. Danach habe ich fürchterlich viel nachgedacht, ob die vielleicht Recht hat.

Und dann Tante Guste. Ins Büro soll ich gehen, hat die immer gesagt. Da bleibt man sauber und verdient viel Geld. Und ich soll bloß nicht studieren. Weil von uns noch gar keiner studiert hat.

Das ist immer ganz schön schwierig, meine eigenen Sachen zu machen, wenn die Erwachsenen mir erzählen, dass die gar nicht richtig sind. Aber ich will nicht ins Büro! Und ich will auch nichts mit Blumen machen! Eigentlich würde ich am allerliebsten den ganzen Tag in meinem Zimmer sitzen und den Puppen und Teddy Sachen beibringen. Oder meine Bauernhoftiere sortieren.

Sortierst Du immer noch so gern wie ich?

Was ich auf jeden Fall will: Chef sein. Das bin ich jetzt bei meiner Bande ja auch. Und das ist gut so. Würde ich nämlich in eine andere Bande wollen, wo ich nicht Chef bin, müsste ich ja vielleicht so eine doofe Mutprobe machen, wie ich sie mir immer ausdenke, wenn jemand Neues kommt, den ich nicht haben will. Regenwürmer essen. Oder vom Garagendach in die Kohlasche springen. Oder mit den Rollschuhen einen ganz steilen Berg runterfahren.

Bist Du jetzt Chef von irgendwas?

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Da bin ich noch ganz klein. Aber ich kann gerade kein anderes Foto von mir finden.

Das wünsche ich mir für später

Entweder will ich Lehrerin sein oder Schriftstellerin. Am liebsten beides. Ich erzähle ja jetzt schon ganz viele Geschichten und meine Freundinnen sagen immer, ich würde so komisch reden. Wie eine Märchentante.

Auja, Märchentante – das wär’s! Und Tänzerin. Und ganz viel verkleiden will ich mich auch. Vielleicht noch Schauspielerin? Kann man das alles machen? Ach, ist ja eigentlich egal. Ich wünsche es mir. Und einen Hund. Und dass Mutti ganz lange lebt.

Ach, weißte, was schön ist? Wenn Du noch lebst, dann weißt Du ja, was alles in Erfüllung gegangen ist. Und wenn Du noch nicht zu alt bist, kannst Du vielleicht die Sachen noch machen, die Du noch nicht geschafft hast.

Aber gleich sofort! Das wünsche ich mir noch zum Geburtstag. Damit Du daran denkst, habe ich auch Bilder davon gemacht.

Und jetzt gehe ich ins Bett. Morgen ist schließlich wieder Schule.

Ganz viele Grüße von Deiner Sabine

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Ein Gedanke zu „5. April 1972 – (M)ein Brief aus der Vergangenheit“

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