Der erste Sonntag allein. Eingeschlafen und aufgewacht mit Tränen. Er ist tatsächlich fort. Ich halte ein noch nicht gewaschenes T-Shirt im Arm, schnuppere daran. Schade, dass wir beide keine Düfte benutzt haben; ein prägnantes Rasierwasser würde vielleicht helfen…
Meine innere Durchhalterin hat sich mit der Antreiberin verbündet, und beide jagen mich aus dem Bett. „Hier rumzuliegen nützt überhaupt nichts!“, „Es ist genug zu tun.“, „Geh laufen!“, „Lüfte Frollein Frieda!“, „Schreib doch etwas!“.
Während die beiden Damen in meinem Kopf herumturnen und mich ganz wuschig machen, höre ich Tim leise lachen. „Lies doch etwas!“ flüstert er mir ins Ohr. Und: „Ich will doch nur hier sitzen!“ in Anspielung auf einen Sketch von Loriot, den wir häufig und mit Vergnügen zitiert haben.
Was macht „frau“ am ersten Sonntag danach?
Einfach nur sitzen wäre gar nicht schlecht. Kann ich aber gerade nicht. Also aufstehen. Kann ich aber eigentlich auch nicht. Besser, will ich nicht.
Glücklicherweise erklärt mir das Frollein Frieda sehr nachdrücklich, dass sie eine Morgenrunde mit mir drehen will. Und dass es ihr weffegal ist, ob im Kalender Sonntag, Montag oder Wasauchimmer steht. Glücklicherweise kann ich mich ganz auf sie konzentrieren. Muss mich ein bisschen zusammenreißen, um es mit dem Einfühlen in meinen Hund nicht zu übertreiben. Ich wüsste so gern, was sie wahrnimmt, wenn sie auf einmal stehenbleibt und hektisch herumschnüffelt. Aber möglicherweise wirkt das auf die Nachbarn etwas putzig, und ich gebe meinem Drang, auch einmal zu schnüffeln, nicht nach.
Vor einer Woche ist Tim gegangen. Ich stelle fest, dass es mir sehr wichtig ist, meine Bedürfnisse auszudrücken und um Berücksichtigung zu bitten. Ich tue genau das, was mir gerade in den Kopf oder ins Herz kommt. Habe einen Tattootermin gemacht, weil ich sein Bild nicht nur im, sondern am Herzen tragen möchte. Habe mich gegen einen von mir als zu übergriffig empfundenen RatSCHLAG gewehrt – und Akzeptanz dafür bekommen.
Habe heute früh meinen Newsletter geschrieben und mich einmal mehr gefragt, ob es okay ist, so öffentlich mit meinen Gefühlen umzugehen. Mir die Frage selbst beantwortet: „Ja, das ist es, weil es sich für mich richtig anfühlt!“ Denn
Ich bin Trauerbegleiterin, Autorin, Bloggerin und Mentorin für starke Frauen in Trauer mit dem obersten Leitsatz: … und trotzdem leben!“. Warum sollte ich Gedanken zum Tod eines geliebten Menschen nicht teilen?
Denn ich bin nicht die Erste und werde auch nicht die Letzte sein, die mit Verlust umgehen muss.
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