Mal ganz ehrlich und unter uns: Ist es für Dich okay, eine Verabredung via Messenger und mit einer Ausrede abzusagen statt ganz ehrlich zuzugeben, dass Du einfach keine Lust hast oder müde bist?
Würdest Du den Mund aufmachen, wenn Deine Chefin auf einmal über Geflüchtete herzieht und eine rechtspopulistische Partei als Rettung anpreist?
Würdest Du notfalls Nachteile in Kauf nehmen, weil Du ehrlich Deine Meinung sagst?
Natürlich hat Ehrlichkeit auch Grenzen. Zum Beispiel laufe ich nicht durchs Dorf und sage allen, bei denen ein Mähroboter durch den Garten marodiert, dass ich das für Umweltfrevel, spießig und unsportlich halte.
Aber ich sage auch niemandem, dass ich den niedergemähten Rasen schön finde. Stattdessen beschränke ich mich auf ein freundliches „Guten Tag!“.
Genauso wenig würde ich einer Freundin sagen, dass ihr das Kleid, das sie gerade anprobiert, großartig steht, wenn ich nicht dieser Meinung bin.
Trotzdem finde ich, dass wir ehrlich unsere Meinung sagen dürfen, solange wir niemanden damit verletzen. Dass wir eine Verabredung mit: „Ich möchte heute nicht (mit dir) reden. Bin müde/fertig/genervt…“ absagen dürfen.
Und dass Ehrlichkeit sich dann doch auszahlt. Nicht in bedruckten Papierscheinchen. Die Belohnung besteht aus einem besseren Gefühl im Umgang miteinander.
„Mama, das Kleid ist toll, nur dein Gesicht passt nicht dazu!“ – Kindermund.
„Hinten Lyzeum, vorne Museum.“ Meine Mutter angesichts ihrer Meinung nach zu jung gekleideter Altersgenossinnen.