Mein heutiges und mein früheres Ich - an das eines meiner Post-Its in die Vergangenheit gerichtet ist.
Liebe/r Abonnent,

"Du musst doch nicht traurig sein!" - "Ich bin aber schon traurig!"

"Alles wird wieder gut!" - "Gar nicht! Nichts wird wieder gut! Nie wieder wird es wieder gut!"

Hast Du selbst Kinder? Oder kannst Du Dich noch an Deine Kindheit erinnern? Dann kennst Du wahrscheinlich diese Art von Gesprächen. Bei Angst oder Wut gab es diese Unterhaltung zwischen Erwachsenen und Kind so oder ähnlich auch.

Ein für uns unangenehmes Gefühl taucht auf. Und der erste Impuls von (uns) Erwachsenen ist es, dieses Gefühl "wegmachen" zu wollen. Denn es erschreckt uns, dass unser Gegenüber (egal, ob klein oder groß) so schrecklich weint. Oder sogar laut brüllt. Herumwütet. Achduliebemeinegütebloßnicht!!!

Kannst Du bitte Dein Trauern beschleunigen?

Den gleichen Impuls verspüren viele Menschen angesichts von Trauer. Sie fühlen sich schrecklich hilflos angesichts der Wucht der Gefühle, die da von der Trauernden auf das Umfeld einprasseln.

Und weil viele von uns eine solche Gefühlsmacht schwer bis überhaupt nicht aushalten können, gibt es oft eine dieser beiden Reaktionen:
  1. Ich muss jetzt ganz dolle trösten und Mut zusprechen, damit dieses Gefühl bei der Anderen schnell wieder weggeht.
  2. Ich halte das nicht aus, dass mein Gegenüber so verzweifelt ist. Ich muss hier weg. So schnell wie möglich.
Genau diese Reaktionen führen dazu, dass wir Trauernden uns sehr oft allein(gelassen) fühlen. Denn wir sind im Gefühl. Wir können da nicht einfach wieder raus, auch wenn wir es unserem Umfeld gern leichter machen wollen.

Dieser Gedanke und meine eigenen Erfahrungen besonders der letzten Monate haben mir gezeigt, dass Trauernde einen ganz eigenen Zugang zu ihren Gefühlen haben könnten, wenn sie gelassen werden.

Trauer gehört ordentlich sortiert und terminiert!

Denn auch für den Trauerprozess gibt es Konventionen, Termine und gefühlt unendlich lange To-Do-Listen. Letztere können wir googeln oder uns vom Bestattungsinstitut über das, was jetzt ansteht, beraten lassen.

Das, was unser Umfeld von uns erwartet, steht jedoch in keinem Leitfaden.

Verwandte und Bekannte wollen informiert werden, unsere Nachbarn fragen, warum ein Rettungs- und/oder Leichenwagen vor dem Haus stand, wo XY abgeblieben ist oder warum der Hund nicht mehr bellt.

Und wir, die wir einen lieben Menschen oder ein geliebtes Tier verloren oder einen anderen Abschied zu verarbeiten haben, müssen uns jetzt auf eine Gratwanderung begeben. Denn wenn wir darüber sprechen, wird unsere Trauer jedes Mal wieder geweckt oder verstärkt. Andererseits wagen wir nicht, unsere Gefühle in ihrem ganzen Ausmaß zu zeigen, weil unser Gegenüber sich dann erschrecken würde.

In der Trauer sind wir tief im Gefühl

Deshalb ist es nicht leicht oder sogar völlig unmöglich, im Sinne fremder oder eigener Erwartungen zu funktionieren. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, wenn Du trauerst - ich war in einem sehr, sehr tiefen Loch, hatte mich dort so gut eingerichtet wie nur möglich und keine Lust, jemals wieder herauszukommen. Und schon gar keine Lust hatte ich, meine Gefühle zugunsten irgendwelcher Konventionen zurückzustellen.

Trotzdem musste ich Gespräche führen mit der Bank, dem Bestattungsinstitut, der Versicherung, musste Kommpromisse finden zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen der anderen Angehörigen, "musste" andere trösten, die ebenfalls trauerten.

Genau diese Gratwanderung hat oft dazu geführt, dass ich ungerecht und "bollerig" war. Das tut mir einerseits leid, andererseits weiß ich, dass ich es besser gemacht hätte, wenn es mir möglich gewesen wäre.

Du darfst die Gefühle haben, die Du jetzt fühlst!

Und ich möchte Dich ermutigen, genau die Sätze zu sagen, die ich eingangs zitiert habe. Wenn Dir jemand mit Rationalität kommt, darfst Du ihm sagen: "Ich bin jetzt nicht rational. Ich fühle. Lass mir das bitte!" Wenn jemand sagt: "Es wird alles wieder gut!" darfst Du ihm ein "Das glaube ich dir nicht!" entgegensetzen. Und wenn Dich nach einer gewissen Zeit jemand fragt, wann Du "mit Trauern fertig bist", darfst Du ihm antworten: "Vielleicht gar nicht."

Denn Du musst gar nichts. Wahrscheinlich bist Du Deinen Gefühlen und Deinem Herzen gerade viel näher als diejenigen, die Dir dabei helfen wollen, diese Gefühle "wegzumachen" - und die es ganz sicher gut mit Dir meinen.

Auch dazu kann ich nur meine eigene Erfahrung beisteuern. Deine wird vielleicht ganz anders aussehen: Ich habe mich entschieden, so lange und so intensiv zu trauern wie es dauert. Davon werden mich keine gut gemeinten RatSCHLÄGE, Hinweise auf die Trauerphasen oder gesellschaftliche Zeitvorgaben abbringen.

Lesestoff für Dich

Unter anderem dazu habe ich in meiner neuen Rubrik "Du und Deine Trauer" schon einige Artikel geschrieben.

Es wäre so wohltuend, wenn wir und unsere Gesellschaft die Trauer willkommen heißen könnten! Denn das ist kein Widerspruch zu einem erfüllten Leben nach einem Abschied. Wir dürfen uns und dem Schicksal besonders während des Trauerprozesses "... und trotzdem leben!" sagen.

Wenn Du magst, kannst Du Dir die Fotos zum 12. Januar anschauen. Denn die zeigen genau das. Außerdem kann ich einfach gut fotografieren... ;-)

Lass von Dir lesen! :-)


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Wenn Du Dir einen ersten Eindruck verschaffen willst oder jemanden kennst, die gerade einen Abschied erlebt oder vor sich hat, geht es hier zu einem kostenlosen 30-minütigen Kennenlerngespräch.
Ich wünsche Dir eine gute Woche und den Mut, Dein inneres Kind zu Wort kommen zu lassen - so laut es will.

Herzlichst Deine

Sabine Scholze
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