Ziele machen mir Druck. Deshalb schaue ich lieber nach oben und lasse mich vom Leben inspirieren.
Liebe/r Sabine,

In meinem letzten Brief hatte ich Dir etwas versprochen.

Aber ich habe es einfach nicht geschafft!

Bin ich jetzt eine Versagerin?

Bist Du enttäuscht von mir?

Oder fragst Du Dich gerade, was genau ich Dir versprochen habe?

Verzeihung ist nicht immer leicht

In meinem letzten Denkanstoß hatte ich angekündigt, dass ich zum Vollmond am 21. September ein Ritual des Verzeihens zelebrieren und Dir davon berichten will.

Nun, es gibt nichts zu berichten. Jedenfalls nichts von einem Verzeihungsritual.

Dabei hatte ich mir das so schön ausgemalt: Meine eigenen Anregungen wollte ich Wort für Wort befolgen, hatte auch schon einen guten Platz für mein Ritual im Kopf, eine Liste von Menschen, denen ich zu verzeihen gedachte und ein geladenes Feuerzeug, um die Zettel im Anschluss zu verbrennen.

Dann habe ich mich gefragt, ob der Vollmond ein guter Zeitpunkt ist. Wäre nicht der Tag danach besser, wenn der Mond wieder ab- und meinen Groll mitnehmen würde?

Irgendwie fand ich auch keine Zeit, all die Menschen, denen ich grollig war, auf Zettel zu schreiben - und eigentlich wollte ich mich damit überhaupt nicht auseinandersetzen. Ich wollte einfach nur meinen Groll loswerden. Weil Grollen so fürchterlich anstrengend ist und ich so schrecklich müde war.

Aber ich kann und konnte mir auch nicht vorstellen, diese Leute irgendwann zum Essen zu mir nach Hause einzuladen. Auch nicht nach dem Verzeihen. Aber das MUSS MAN WOLLEN, SONST HAT MAN NICHT RICHTIG VERZIEHEN!

Ich wollte aber nicht mir ihnen essen! Weg sollten sie sein, aus meinem Kopf sollten sie raus, sonst nichts!

Dann habe ich während der Arbeit einen Podcast gehört. Von einer Psychologin namens Franca Cerutti. "Psychologie to go" heißt er und gehört zu den wenigen Podcasts, die mir nicht sofort wegen ausschweifender Laberei auf die Nerven gegangen sind.

Dort gab es auch eine Folge zum Verzeihen. "Vergebung? Am Arsch!" heißt sie und hat mein schlechtes Gewissen, dass ich wegen meines noch nicht stattgefundenen Verzeih-Rituals hatte, in Luft aufgelöst.

Okay, dabei ging es mehr um Vergebung nach wirklich traumatischen Erlebnissen. Das ist bei mir definitiv nicht das Problem; ich trage kleinere und größere Verletzungen, Rücksichtslosigkeiten und gedankenlos Dahergesagtes mit mir herum. Von Traumata kann keine Rede sein.

Trotzdem ist da das eine oder andere, das ich (noch) nicht verzeihen kann, was der oder die Betroffene aber wahrscheinlich schon längst vergessen hat. Und das nagt an mir.

Wem schadet Groll am meisten?

Mir.

Denn der Mensch, auf den ich einen Groll hege und dem ich nicht verzeihen kann, merkt ja nichts davon.

Vor längerer Zeit habe ich einmal den Spruch gehört: "Wut auf einen anderen Menschen ist so, als würde man selbst Gift nehmen in der Hoffnung, dass der andere Mensch daran stirbt."

Mist. Ich nehme also im übertragenen Sinne Gift, wenn ich meinen Groll nicht loswerde. Und ich kann Dir verraten: Genauso fühlt es sich an. Denn diese Menschen turnen die ganze Zeit in meinem Kopf herum und machen mir schlechte Laune. Mir, wohlgemerkt! Denn sie leben wahrscheinlich glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Oder auch nicht. Jedenfalls merken sie nichts davon, dass mich der Groll zernagt.

Was tun?

Das Zauberwort heißt: "Bereitschaft"

Darüber habe ich sehr lange nachgedacht. Und dann fiel mir etwas ein, das vor vielen Jahren eine Freundin zu mir gesagt hatte: "Wenn du etwas noch nicht tun kannst, dann bitte doch deine höhere Macht um die Bereitschaft."

Und genau das war die Lösung!

Ich bin kein religiöser Mensch. Meine Verbindung zu einer höheren Macht finde ich in der Natur, in mir selbst, im Leben, irgendwie so... Also habe ich bei meinem nächsten Spaziergang um Bereitschaft gebeten und der höheren Macht gesagt, dass ich gerade nicht "ordentlich" verzeihen könne, es aber sehr gern tun würde.

Und auf einmal brauchte es kein Ritual mehr. Mein Kopf war frei.

Sollte das so einfach sein?

Es war so einfach. Dieses Gespräch mit meiner höheren Macht ist jetzt schon einige Wochen her, und mein Groll ist noch nicht wieder zurückgekehrt. Ich bin also guter Hoffnung, dass es so bleiben wird.

Für mich statt gegen jemand anderen

Es gab noch eine Situation in den letzten Wochen, die ich als sehr herausfordernd, beängstigend und verletzend erlebt habe. Das wäre eine gute Gelegenheit für meinen Groll gewesen, wieder in meinem Kopf vorbeizuschauen.

Aber etwas hatte sich geändert. Ich konnte den anderen Menschen sehen, statt nur mich und meine Verletzung. Ich konnte erkennen, dass dieser andere Mensch wahrscheinlich genausoviel Angst hatte wie ich - und wie ich in einer ähnlichen Situation sicherheitshalber erst einmal um sich geschlagen hat. Das hat dazu geführt, dass ich trotz meiner Gefühle adäquat reagieren konnte. Und mir Hilfe bei meinen Freundinnen, die mir wohlgesonnen sind, geholt habe.

Ich muss diesen anderen Menschen nicht mögen. Aber ich muss ihn auch nicht bekämpfen.

Wenn ich das, was ich tue, für mich tue, statt gegen jemand anderen, haben Groll, Wut oder sogar Hass keinen Raum in meinem Kopf - und das ist gut so.
Verzeihen
Nachdem in meinem Kopf Ruhe war, konnte ich auch wieder schreiben:

Du willst noch mehr lesen? Aber gern doch! :-)
Wie sieht es in Deinem Kopf aus? Ist Ruhe da oben? ;-) Oder spuken auch Menschen und Gedanken herum, die Dir Energie für Schöneres rauben?

Wie immer freue ich mich sehr über Post von Dir - per Mail, Facebook oder Instagram!

Hab' ein wundervolles Wochenende!

Und mach es Dir schön! SOFORT! ;-)

Herzlichst Deine

Sabine Scholze
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